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Wenn eine dunkle Gasse zur grünen Oase wird

In Südafrika hat Urban Gardening während der Pandemie gezeigt, was es wert ist. Urbane Grünflächen und Gemeinschaftsküchen gibt es in Südafrika schon seit Jahrzehnten. Aber jetzt wie nie zuvor hat sich gezeigt, welche Rolle sie bei der Bekämpfung von Hunger spielen können.

Unser Garten ist das Beste, das diese Pandemie hervorgebracht hat.

- Zainap Salie

 

Im Dezember 2020, zwei Tage vor Weihnachten, fand eine Gruppe von Frauen den Zugang zu ihrem Gemeinschaftsgarten in Kapstadts berühmten ­Viertel ­Bo-Kaap plötzlich versperrt. Eine muslimische Organisation beanspruchte das Land für sich. Gemeinsam hatten die Mitglieder der Gruppe Sustainable Bo-Kaap mitten in der COVID-19-Pandemie auf einem verwahrlosten Stück Land einen Garten angelegt und damit ein Zeichen der Hoffnung setzen wollen. Während der Pandemie waren in dem Viertel mit seinen bunten Häusern und seiner reichen Geschichte die Touristen ausgeblieben. Wie überall im Land ­machten sich erst Arbeitslosigkeit und dann Hunger breit, Tausende neuer Gärten entstanden in Kapstadt und anderen Metropolen Süd­afrikas. Ihr Beitrag zur Ernährungssicherheit ist nicht quanti­fiziert und zum Teil umstritten, doch die vielfältigen Vorteile liegen auf der Hand.

Nur fünf Kilometer vom Bo-Kaap entfernt gründeten etwa zur selben Zeit Zainap Salie und ihre Nachbarn in Salt River den Kipling–Gemeinschaftsgarten. Aus einer mit Müll verstopften Gasse wurde eine der wenigen Grünflächen in der Nachbarschaft. Neben der regelmäßigen Ernte, die das Nahrungsangebot der beteiligten ­Familien aufbessert, ist der Garten auch eine Begegnungsstätte und fördert das soziale Miteinander. Er liefert zudem genügend Nahrungsmittel, um in Gemeinschaftsküchen Essen für die ­vielen Bedürftigen zuzubereiten, deren Zahl infolge der ­Pandemie dramatisch angestiegen ist. Beides, urbane Gärten und Gemeinschaftsküchen, gibt es in Südafrika schon seit Jahrzehnten. Nun zeigt sich wie nie zuvor, welche wesentliche Rolle sie bei der ­Bekämpfung von Hunger spielen können.

Initiativen wie die Gemeinschaftsgärten in Salt River und im Bo-Kaap bringen zudem Menschen zusammen und schaffen Räume für kritische Perspektiven auf ein ungerechtes Nahrungssystem, in dem ein stark monopolisierter Groß- und Einzelhandel den Löwenanteil der Gewinne einstreicht und kleinere und mittel­ständische Produzent*innen genauso das Nachsehen haben wie Konsument*innen. Urbane Gärten schaffen für viele einkommensschwache Haushalte eine gewisse Unabhängigkeit. Und sie schaffen auch Arbeit und Einkommen. Ihre Bedeutung wird mittlerweile stärker von staatlicher Stelle anerkannt.

Wie im Westkap fördern viele Provinzregierungen den Ausbau urbaner Gärten. Dennoch können sie nur einen Beitrag zur Bekämpfung von Hunger, Unter- und Fehlernährung leisten. Der Staat bleibt gefordert, mit vielfältigen Maßnahmen das Recht auf Nahrung für alle zu gewährleisten. Denn urbane Gärten brauchen Ressourcen, beispielsweise Boden und Wasser, die vor allem in Städten begrenzt und heiß umkämpft sind.

So wie im Bo-Kaap. Im Juni dieses Jahres hat ein Gericht entschieden, dass Sustainable Bo-Kaap das Stück Land weiter nutzen kann. Seitdem finden dort regelmäßig Kurse zu biologischem Gartenbau statt und inspirieren weitere Gemeinschaftsgärten in der Stadt.


Katrin Seidel arbeitet seit fast 14 Jahren bei der Heinrich-Böll-Stiftung und leitet seit 2019 das Büro Kapstadt – Südafrika, Namibia, Simbabwe. Vorher war sie Büroleiterin in Nairobi und Phnom Penh.

Mitarbeit: Marcela Guerrero Casas, Programm­leiterin bei der Western Cape Economic Development Partnership.

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